Stadt Zürich gegen offene Wettbewerbe?
Mit einer Befragung von verschiedenen Fachleuten und Behördenvertreter sollte der heutige Stand des Wettbewerbswesens durchleutet werden.
Als Einleitung ins Thema nannte Benedikt Loderer folgende Zahlen:
Ausschreibungen der letzten 2 Jahre der Stadt Zürich:
8 Studienaufträge mit 3-6 Teilnehmern
3 Gesamtleistungswettbewerbe auf Einladung
10 Projektwettbewerbe auf Einladung
2 öffentliche Wettbewerbe mit selektivem Verfahren
1 offener Wettbewerb (unter diesen, tot. 24 Ausschreibungen)
Ins Erstaunen versetzte nicht nur diese Einleitung sondern auch das Statement von Timothy Nissen, Mitverfasser der neuen SIA Norm 142, der vorschlug die Jurymitglieder einer Qualitätskontrolle zu unterziehen.
Er erwähnte, dass die Jurymitglieder sich teilweise nicht mal mehr die Mühe machen, die Wettbewerbsgelände zu besichtigen und sich anmassten, in unglaublich kurzer Zeit die Präqualifikationen oder Wettbewerbsbeiträge zu jurieren.
Weiter erwähnte er, dass die Jurien sich zunehmend aus Politikern und Behördenvertretern und weniger aus Fachleuten zusammensetzten.
Bei der Diskussion um die neue SIA Norm 142 machte der Einwand von Peter Ess, Direktor des Amtes für Hochbauten der Stadt Zürich, hellhörig, die Stadt Zürich müsse sich rechtlich eigentlich gar nicht an die Norm des Berufsverbandes halten.
Auf die Frage, warum viel kleinere Städtchen wie z.B. Sursee in den letzten Jahren ca. viermal mehr offene Wettbewerbe veranstalteten als Zürich, erwiderte Herr Ess, dass die Stadt Zürich gegen offene Wettbewerbe ist und sehr gute Erfahrungen mit Direktaufträgen gemacht habe.
Weiter führte er aus, dass er ein Beziehungsmensch sei und auch dazu stehe.
... die NZZ schrieb dazu am 1. Dez. 2000 in einem Artikel über diese Veranstaltung (S. 47) folgendes: ...
Von der öffentlichen Hand wird ein möglichst beispielhaftes Vorgehen erwartet.
Das gestanden Bitterli und Ess auch zu. Ess betonte aber, dass sein Amt kein Selbstbedienungsladen sei, keine Ausbildungsstätte für Unerfahrene, sondern ein Auftraggeber der Qualität fordere
Spannend war da der Einwand von Herr Kory, welcher fragte: ... wenn die Stadt Zürich schon nach ISO-Norm qualitätszertifiziert sei, wieso denn die Juryprotokolle nicht veröffentlicht werden könnten.
Zur Frage nach der Förderung von ?jungen Büros? erwähnte der hierzu befragte Architekt Egon Dachtler, dass man als Architekt eigentlich immer das falsche Alter habe. Am Anfang der Karriere gelte man als zu jung und zu unerfahren und danach (unabhängig vom Altersdurchschnitt im eigenen Büro) als zu alt.
Dass Renzo Fagetti, Geschäftsführer der ABB Immobilien AG, Vertreter eines privaten Unternehmens, privatwirtschaftlich argumentierte, hat nicht weiter erstaunt. Umso mehr verblüffte, dass Peter Ess als letzer Befragter und Vertreter der öffentlichen Hand, sich mehrmals gegen offene Wettbewerbe äusserte und die wenigen offenen Wettbewerbe der Stadt Zürich verteidigte. ...(Zürich führt ca. alle zwei Jahre einen offenen Wettbewerb durch; das viel kleinere Luzern z.B. hatte im Schnitt der letzten Jahre etwa zehnmal soviel und das Städtlein Sursee etwa viermal soviel durchgeführt)... Anmerkung der Redaktion.